Ho-Seoung Moon ist Mitte Dreißig lebt in Göttingen – und ist Philosoph. Seinen Magisterabschluss hat er 2009 gemacht. Die Philosophie ist für Ho-Seoung eine Herzensangelegenheit, die er als seine Berufung ansieht: „Ich bin geboren, um Philosoph zu sein.“ Im Mai 2011 hat er mit „PhilVia“ seine eigene philosophische Praxis in Göttingen gegründet. Damit ist Ho-Seoung einer von etwa 300 praktizierenden philosophischen Lebensberatern in Deutschland. Er ist Mitglied der Internationalen Gesellschaft für Philosophische Praxis (IGPP).
Der gebürtige Südkoreaner kam mit drei Jahren nach Deutschland – erst nach Osnabrück, dann nach Kiel, wo er an einer Gelehrtenschule eine klassische altsprachliche und humanistische Bildung genoss. So kam er früh in Kontakt mit römischer und griechischer Philosophie. Schon mit sieben Jahren, als Ho-Seoung merkte, dass er sich als Migrant von seinen Mitschülern unterschied, stellte sich ihm eine klassische philosophische Frage: „Wer bin ich?“ Als er dann in der Pubertät anfing, allgemein über das Leben, die Gesellschaft, Normen und Werte nachzudenken, entdeckte er das Philosophieren endgültig für sich: „Ich wusste schon mit 16, dass ich Philosoph sein möchte“, erinnert sich Ho-Seoung. So machte er sich sowohl in seiner Freizeit als auch im Philosophieunterricht in der Oberstufe mit Klassikern wie Sokrates und Descartes vertraut. Parallel ging er dazu über, seine eigenen philosophischen Gedanken und Erkenntnisse niederzuschreiben.
Nach dem Abitur war es für Ho-Seoung eine Selbstverständlichkeit, Philosophie zu studieren. Aufgrund des guten Rufs der Göttinger Philosophie und weil er die Göttinger Sieben kannte und schätzte, nahm er sein Studium 1998 an der Georg-August-Universität auf. Von nun an war Ho-Seoung in seinem Element und als Vorzeigestudent bekannt, der viel weiß, ohne viel lernen zu müssen. Bereits ab dem ersten Semester war er als Tutor tätig und nach sechs Semestern war er mit dem Studium so gut wie fertig. Dann allerdings kam es zu einem Bruch, aufgrund dessen es noch acht Jahre bis zum Magistertitel dauern sollte. „Obwohl ich so stark involviert war, konnte ich irgendwann der akademischen Philosophie nichts mehr abgewinnen. Die meisten Studenten waren in ihrem analytischen Denken destruktiv statt konstruktiv. Anscheinend ging es allein darum, möglichst viel Wissen anzuhäufen. Ich fand aber, dass das Sammeln von Scheinen nicht ausreicht, um sich einen wahren Philosophen nennen zu können. Mir war der praktische Bezug der Philosophie sehr wichtig, der aber an der Uni verloren gegangen war. Ohne Praxisbezug ist jede Theorie sinnentleert.“
„Ich bin sozusagen das kritische Gewissen meines Klienten.
Wir suchen gemeinsam nach einer Lösung, aber diese Lösung kann nicht von mir vorgegeben werden, da jeder Mensch anders ist und seine Lösung selbst finden muss.“
Wissen als Selbstzweck war also nicht das, was Ho-Seoung sich unter Philosophie vorgestellt hatte. So kreuzte er in den nächsten Jahren nur noch gelegentlich bei der Uni auf; vielmehr bemühte er sich um lebensphilosophische Erkenntnisse. Dazu sammelte er schlichtweg praktische Lebenserfahrung; es ging ihm darum, sich auf verschiedenste Menschen und Orte einzulassen. Seine Philosophie sollte das alltägliche Leben berücksichtigen und sich auch aus den von ihm beobachteten Situationen ableiten lassen, anstatt weltfremd und abgehoben nur sich selbst zu genügen. Die praktische Bedeutung von Philosophie entdeckte Ho-Seoung vor allem in den Lehren des Sokrates, der Stoa, der Subjektivitätstheorie und auch im fernöstlichen Taoismus. Aus diesen Versatzstücken entwickelte er, weitgehend unabhängig vom Studium, seine eigene Lebensphilosophie, die ihm selbst im Leben viel weitergeholfen hat. Damit möchte er auch anderen Menschen helfen.
Seiner Meinung nach hat Ho-Seoung mittlerweile die nötige geistige Reife erlangt, um sich mit Recht als Philosoph bezeichnen zu können. So schrieb er schließlich doch seine Magisterarbeit über den freien Willen, die bereits den Versuch einer lebenspraktischen Philosophie zeigte. Für den akademischen Weg konnte Ho-Seoung sich aber nach wie vor nicht begeistern – der Schritt, eine philosophische Praxis zu gründen und als philosophischer Lebensberater zu arbeiten, lag also nahe. „Das ist die beste Lösung für mein Streben, Beruf und Bestimmung miteinander in Einklang zu bringen. Und es passt perfekt zu mir: Ich war schon immer sehr empathisch, anpassungsfähig und harmoniebedürftig. Ich kam mit allen gut aus und mir wurde oft gesagt, dass man sich mit mir sehr gut unterhalten kann.“ Damit verfügt Ho-Seoung über genau die Eigenschaften, die in der philosophischen Lebensberatung gebraucht werden.
Doch was bedeutet das eigentlich, philosophische Lebensberatung? Jeder, der ein Problem oder eine Frage hat, kann Ho-Seoungs philosophische Praxis konsultieren. Zunächst für ein kostenloses Informationsgespräch; später für jeweils sechzigminütige Sitzungen. Ho-Seoungs Klienten kommen mit ganz klassischen Problemen zu ihm: Depressionen, Burnout, Unsicherheiten, Ängste, Liebeskummer, Selbstfindungsfragen, Sinnfragen. Er bietet – allerdings nicht bei schweren pathologischen Fällen – seine Unterstützung an, die jeweils eigenen richtigen Lösungen zu finden. Dabei fungiert er als eine Art Stichwortgeber, liefert Denkanstöße und öffnet Perspektiven – jedoch immer, ohne seinen Klienten irgendetwas aufzudrücken oder vorzuschreiben: „Ich bin sozusagen das kritische Gewissen meines Klienten. Wir suchen gemeinsam nach einer Lösung, aber diese Lösung kann nicht von mir vorgegeben werden, da jeder Mensch anders ist und seine Lösung selbst finden muss – ich begleite und unterstütze nur sein Denken, indem ich helfe, alte Muster aufzubrechen und neue logische Verbindungen entstehen zu lassen.“
„Es geht in den Sitzungen vor allem um einen Aha-Moment – eine neue Wahrheit oder Erkenntnis, die einem weiterhilft.“
Dazu bedient sich Ho-Seoung des sokratischen Dialogs, der selbstständiges Denken und eigenverantwortliches Handeln lehrt. Es geht dabei weniger um die Vermittlung von Philosophie; vielmehr soll das Philosophieren selbst gelehrt werden. Dies ist ein wichtiger Unterschied zur klassischen Psychotherapie, der es nur um die Antwort, nicht aber um die grundlegende Frage geht. Während Psychotherapeuten nach objektiven Kriterien ein Methodenlexikon aufstellen und ihre Patienten dementsprechend katalogisieren und pathologisieren, also eine Hierarchie aufbauen, geht es Ho-Seoung um einen gleichberechtigten Dialog auf Augenhöhe mit seinen Klienten, die eben keine Patienten sind. Im sokratischen Dialog wird der Klient in seiner Individualität betrachtet und nicht in vorgefertigte Kategorien einsortiert. Deshalb stellt Ho-Seoung auch keine Diagnose, sondern rekapituliert jede Sitzung gründlich und gibt seinen Klienten stets ein schriftliches Feedback über gewonnene Erkenntnisse. Bislang kam sein Vorgehen gut an: Alle Klienten, die Ho-Seoungs Lebensberatung in Anspruch nahmen, zeigten sich angetan. „Es geht in den Sitzungen vor allem um einen Aha-Moment – eine neue Wahrheit oder eine neue Erkenntnis, die einem weiterhilft. Bisher ist so ein Aha-Moment immer eingetreten, und deshalb waren meine Klienten auch immer zufrieden.“ Die Gespräche mit seinen Klienten finden meistens in Form von Hausbesuchen statt; möglich sind aber auch Treffen im Park, im Café oder gemeinsame Spaziergänge.
Darüber hinaus können die Sitzungen auch in der Praxis der Kunsttherapeutin Victoria Moosmeier abgehalten werden – oder aber via Skype und Google+.
Was bleibt? Sicherlich gäbe es lukrativere Verdienstmöglichkeiten, die Ho-Seoung entgegen aller Klischees mit seinem Philosophiestudium offen stünden – etwa im Verlagswesen, in der Unternehmensberatung oder als Dozent. Ho-Seoung kann sich durchaus vorstellen, Seminare und Coachings anzubieten – am liebsten aber nur als Nebenbeschäftigung zu seiner philosophischen Praxis. Stellt man ihm selbst die philosophische Frage, ob er glücklich ist mit dem, was er momentan tut, fällt die Antwort jedenfalls eindeutig aus: „Ja. Ich tu genau das, was ich möchte. Und bei meiner Philosophie geht es eben darum, das zu tun, von dem ich überzeugt bin – und nicht etwa das, bei dem ich möglichst viel Geld verdiene.“ Deshalb möchte Ho-Seoung auch ein Leben lang als philosophischer Lebensberater tätig sein. Wenn es funktioniert.
Kontaktdaten von Ho-Seoung Moon:
Telefon: 0551 99 59 724
Internet: www.philvia.de
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