Bei der Erwartung an eine befriedigende Antwort sollte einem Soziologen beziehungsweise einer Soziologin niemals folgende Frage gestellt werden: „Kannst du mir bitte in einem Satz erklären, was Soziologie bedeutet?“ Die Antwort wird aller Voraussicht nach nicht befriedigend sein. Die einen werden sich am Kopf kratzen und sagen, dass es gar nicht möglich sei, Soziologie in einem Satz zu beschreiben. Andere wiederum werden ungefähr folgendermaßen beginnen: „Soziologie ist die Wissenschaft über die Gesellschaft.“ Doch bei der erhofften Ein-Satz-Antwort bleibt es nicht. Die Aussage müsse schließlich noch spezifiziert beziehungsweise präzisiert werden. Es wird angeführt, dass „Soziologie die Sozialwissenschaft ist, die auf empirisch-theoretische Erforschung des sozialen Verhaltens, der sozialen Gebilde, Strukturen und Prozesse ausgerichtet ist. Aber es gibt auch nicht nur die eine Soziologie…“ Und schon ist es passiert. Durch eine simple Frage steckt man mitten in einem Vortrag über eine Wissenschaft, die es in sich hat.
Aber so sind sie, die Soziologen und Soziologinnen. Alles muss möglichst komplex und exakt beschrieben werden, bis zu der Einsicht gekommen wird, dass es noch komplizierter ausgedrückt werden kann. Mathematiker haben ihre Zahlen und Formeln, Naturforscher ihre Natur, Mediziner ihre unaussprechlichen Krankheiten und Juristen ihr Gesetzgebungssystem um ihre Wissenschaften zu betreiben. Die Soziologie befasst sich nun einmal mit dem Alltäglichen, welches sich auch täglich verändern kann. Sie beschäftigen sich damit, was über das Individuum hinausgeht und im weitesten Sinne die Gesellschaft betrifft. Mit der Alltagsprache kann dieser Untersuchungsgegenstand eben nicht präzise genug erfasst werden. Aber irgendwie muss sich auch von anderen Disziplinen abgegrenzt werden. Warum nicht durch eine komplexe Ausdrucksweise, die den Vorteil hat, sich dem ausufernden Phänomen der Gesellschaft wissenschaftlich zu nähern. Es wird auf Situationen in denen zwei Personen miteinander agieren genauso eingegangen, wie auf Entwicklungen der gesamten Gesellschaft. Sogar Produktionssysteme von Automobilherstellern und deren Netzwerke können für die Soziologie interessant sein. Bei den Untersuchungen kommen häufig qualitative oder quantitative Methoden zum Einsatz. Letztere befasst sich mit Statistiken und großen Untersuchungszahlen. Qualitative Methoden hingegen arbeiten eher mit kleinen Fallzahlen und Techniken wie zum Beispiel dem Interview. Beide Ansätze haben ihre Vor- beziehungsweise Nachteile, schließen sich aber nicht vollkommen gegenseitig aus. Innerhalb der Soziologie gibt es auch verschiedenste Teildisziplinen: Arbeitssoziologie, Religionssoziologie, Elitensoziologie, Musiksoziologie, politische Soziologie und und und.
Was sich in diesem Studiengang für manche Studierende, welche noch keinen genaueren Berufswunsch haben, als Segen herausstellt, kann schnell zum Fluch werden. Ausgebildete Soziologen und Soziologinnen haben kein spezifisches Arbeitsfeld in welchem sie später einmal ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen. Spätere Spezifikationen sind programmiert.
Aber genau genommen ist Soziologie viel mehr als ein Sammelsurium von überproportional kommunikationsfreudigen Akribikern, die vielleicht die Welt verbessern wollen, nur sagen wie es eventuell gehen könnte oder letztendlich doch völlig gefühllos die Gesellschaft betrachten. Es ist eine Wissenschaft, die im Vergleich zu anderen Disziplinen einen vollkommen anderen Blick auf bestimmte Sachla- gen werfen kann. Außerdem ist das methodisch-theoretische Wissen, welches dieser Studiengang vermittelt, beachtlich. Wenn man einen Soziologen oder eine Soziologin kennt, sollte man einfach mal nachfragen, was denn das Interessante an dieser Wissenschaft sei. Schon werden einem die Augen für alltägliche Dinge geöffnet, welche vorher gar nicht aufgefallen sind. Es rücken Dinge in den Mittelpunkt des Interesses, welche eigentlich unauffällig, aber unabdingbar für das gesellschaftliche Zusammenleben sind. Dinge wie die Soziologie an sich: Sie ist da, wird des Öfteren belächelt oder gar nicht betrachtet – ist aber dennoch eine eigenständige Wissenschaft, welche es sich zu betreiben lohnt.
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